Zeigt her Euren Impf- oder Genesungsnachweis!
Kein Anspruch auf Beschäftigung ohne Impf- oder Genesenenstatus im Gesundheitswesen.
– ArbG Gießen, Beschl. v. 12.04.2022 – 5 Ga 1/22 und 2/22 –
Schon mehrfach kam in der Politik die Diskussion einer allgemeinen Impfpflicht gegen das SARS-CoV-2-Virus auf. Bisher haben sämtliche Vorlagen im Bundestag keine Zustimmung gefunden – zuletzt wurde am 7. April die geplante Impfpflicht für alle Menschen ab 60 Jahren zum 15. Oktober 2022 abgelehnt.
Für Beschäftigte im Gesundheitswesen gilt jedoch bereits seit dem 16. März 2022 eine gesetzliche Impfpflicht gegen COVID-19. Diese wurde schon im Dezember 2021 mit Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen (geregelt in § 20a IfSG). Betroffene Arbeitnehmer*innen mussten ihrem Arbeitgeber bis zum 15. März 2022 einen Nachweis über eine vollständige Coronaschutzimpfung, einen gültigen Genesenennachweis – derzeit nicht älter als drei Monate – oder ein ärztliches Attest, wenn sie sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, vorlegen. Bei Nichtvorlage oder Zweifel an der Echtheit des vorgelegten Nachweises besteht für Arbeitgeber*innen seitdem die Verpflichtung, das Gesundheitsamt zu informieren. Bei Neueinstellung nach dem Stichtag des 15. März 2022 ist ein entsprechender Nachweis bei Beginn der Tätigkeit zu erbringen. Bei einem Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften drohen sowohl Arbeitnehmer*innen als auch Arbeitgeber*innen Bußgelder von bis zu 2.500 Euro.
Welche Möglichkeiten Arbeitgeber*innen im Gesundheitswesen haben, wenn sich Arbeitnehmer*innen gegen die Vorlage eines entsprechenden Nachweises wehren, hat am 12. April 2022 das Arbeitsgericht Gießen im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von zwei ungeimpften Beschäftigten eines Seniorenheims – einer Pflegefachkraft und eines Wohnbereichsleiters – geklärt: Ungeimpfte bzw. nicht genesene oder von der Impfpflicht befreite Arbeitnehmer*innen haben keinen Anspruch auf Beschäftigung im Gesundheitswesen. Vielmehr sind Arbeitgeber*innen berechtigt, die betroffenen Arbeitnehmer*innen von ihrer Beschäftigung freizustellen. Obwohl ein entsprechendes Beschäftigungsverbot gesetzlich ausdrücklich nur bei Neueinstellungen ab dem 16. März 2022 vorgesehen ist (§ 20a Abs. 3 S. 4 IfSG), steht es Arbeitgeber*innen frei, unter Zugrundelegung der gesetzlichen Wertungen des § 20a IfSG und im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis der Bewohner*innen eines Seniorenheims, Beschäftigte, die weder geimpft noch genesen sind und der Vorlagepflicht nicht nachkommen, von der Arbeitsleistung freizustellen. Gegenüber dem Interesse der Beschäftigten an der Ausübung ihrer Tätigkeit überwiegt insofern das Interesse der Bewohner*innen an deren Gesundheitsschutz.
Und wie verhält es sich mit der Lohnfortzahlung bei Freistellung? Dazu verhält sich das Arbeitsgericht Gießen gerade nicht. Unter Zugrundelegung arbeitsrechtlicher Grundsätze dürften Arbeitnehmer*innen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können und deshalb von der Pflicht zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit freigestellt werden, als arbeitsunfähig zu qualifizieren sein. Betroffene hätten daher einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Im Gegensatz dazu dürften impffähige, aber –unwillige Beschäftige getreu des Grundsatzes „Keine Arbeit – kein Lohn“, keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben. Insofern bleibt die künftige Rechtsprechung abzuwarten. Auch in diesem Zusammenhang aufkommende kündigungsrechtliche Fragen bleiben bisher offen.
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