Neues aus Wolfsburg
In keinem anderen DAX Unternehmen stehen die Gehälter von Betriebsrät*innen so oft im öffentlichen Fokus wie beim Wolfsburger Volkswagen-Konzern. Bereits Ende September 2021 wurden vier (ehemalige) VW-Personalmanager vom Landgericht Braunschweig von dem Vorwurf der Untreue freigesprochen. Hintergrund war die jahrelange Genehmigung hoher Gehälter für führende Betriebsratsmitglieder bei Volkswagen. Mehr als 10 Monate nach dem Freispruch liegt nun die ausführliche Urteilsbegründung vor.
Im Mittelpunkt des Prozesses stand auch die Vergütung des ehemaligen Konzernbetriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh. Dieser hatte in ertragsreichen Jahren Gesamtbezüge in Höhe von bis zu 750.000 Euro erhalten. Die Staatsanwaltschaft warf den Personalmanagern vor, Kriterien zur Gehaltsfestlegung „bewusst so gewählt [zu haben], dass scheinbar ein erhöhtes Gehalt gerechtfertigt war, obwohl dies nicht korrekt war“. In den Jahren 2011 bis 2016 sei dem Autobauer hierdurch ein Schaden von mehr als fünf Millionen Euro entstanden. Da das Landgericht Braunschweig den Managern kein strafbares Verhalten nachweisen konnte, sprach es sie letztlich frei.
Das Landgericht Braunschweig kommt zu dem Ergebnis, dass auch ein Vollzeit-Job im Betriebsrat letztendlich ein Ehrenamt sei. Selbst bei Erwerb besonderer Kenntnisse und Erfahrungen sei die Arbeit freigestellter Betriebsratsmitglieder demnach nicht mit Aufgaben im höheren Management zu vergleichen. Die Einstufung der Betriebsrät*innen habe sich vielmehr an dem Entgelt zu orientieren, das sie zum Zeitpunkt der Entsendung in die Arbeitnehmervertretung für ihre bisher erbrachte Tätigkeit erhalten haben.
Das Urteil sorgt für Diskussion und Unmut. Nicht nur bei VW, sondern auch bei vielen anderen gut bezahlten Betriebsrät*innen. So ließ der VW-Konzernbetriebsrat zwischenzeitlich äußerst zutreffend verlautbaren: „Die rechtlichen Unsicherheiten bei der Festlegung sind ein Thema für die betriebliche Mitbestimmung in ganz Deutschland. Es geht hier inzwischen nicht mehr nur um Volkswagen.“
Dabei ist das Betriebsverfassungsgesetz mit seinen gesetzlichen Vorschriften in §§ 37, 38 BetrVG relativ deutlich. Danach haben Betriebsratsmitglieder nach dem Lohnausfallprinzip Anspruch auf dasjenige Arbeitsentgelt, was sie erhalten hätten, wenn sie keine Betriebsratstätigkeit ausgeübt hätten. Gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG ist für die Bemessung der Entgelthöhe gerade nicht die Bewertung der Betriebsratstätigkeit zugrunde zu legen, sondern dasjenige Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer*innen mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
Ob diese Bemessungsgrundlage, insbesondere mit Blick auf die stetig wachsenden Heraus- und Anforderungen, denen sich Betriebsrät*innen in ihrer täglichen Arbeit ausgesetzt gesehen, zeitgemäß ist, darf zurecht bezweifelt werden. Gleichwohl ist dies keine Entscheidung der rechtsprechenden Gerichte. Vielmehr bedarf es einer Reform der zugrundeliegenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes. Eine Reform die der Gesetzgeber im Zuge des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes 2021 – ob bewusst oder unbewusst – verpasst hat.