Skip to main content

Die Gedanken sind frei

Können die Überlegungen eines Kirchenmusikers zu einer Leihmutterschaft im Ausland seine außerordentliche Kündigung rechtfertigen?

Mit dieser Frage musste sich das Arbeitsgericht Braunschweig in einem Urteil vom 15.09.2022 (Az. 7 Ca 87/22) auseinandersetzen. Der bei der evangelisch-lutherischen Landeskirche Braunschweig beschäftigte Kirchenmusiker hatte sich gemeinsam mit seinem Ehemann Pläne offengehalten, einen Kinderwunsch durch die Inanspruchnahme einer Leihmutterschaft in Kolumbien zu verwirklichen. Nach Auffassung der Landeskirche lag in den Gedanken des bundesweit bekannten Domkantors ein erheblicher Loyalitätsverstoß, der eine weitere Zusammenarbeit auch unter Berücksichtigung der exponierten Position und des bundesweiten Be-kanntheitsgrads unzumutbar mache.

Der Domkantor hielt dem insbesondere entgegen, dass zu keinem Zeitpunkt eine kommerzielle Leihmutterschaft geplant gewesen sei und dass die Landeskirche versuche, durch die Kündigung einen bloßen Gedankenprozess zu unterbinden.

Das Arbeitsgericht Braunschweig gab der von dem Domkantor erhobenen Kündigungsschutzklage statt und stellte fest, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts fehlt es an einem wichtigen Grund. Dass der Domkantor mit dem Gedanken gespielt hat, einen Kinderwusch durch die Inanspruchnahme einer Leihmutterschaft im Ausland zu verwirklichen, habe keinen provokativen Charakter und unterliege der Meinungsfreiheit. Der bloße Abwägungsprozess des Domkantors könne mittels Kündigung nicht sanktioniert werden.

Auch wenn die Leihmutterschaft in Deutschland jedenfalls teilweise gesellschaftlich akzeptiert ist, so ist sie nach wie vor gesetzlich ausdrücklich verboten. Die bloße Äußerung eines Gedankens, sich eine Leihmutterschaft im Ausland offenzuhalten, rechtfertigt grundsätzlich aber keine Kündigung.