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„Hardcore“ Twitter

Elon Musk hält die Tech-Welt in Atem, mal wieder. Seit Musk den Kurznachrichtendienst Twitter in der Nacht auf den 28. Oktober 2022 für rund 44 Milliarden Dollar offiziell übernommen hat, vergeht kaum ein Tag ohne neue Hiobsbotschaften. Vom Häkchen-Chaos über die Rückkehr bislang – meist aus triftigen Gründen – gesperrter Nutzer*innen bis hin zur Aufhebung des Zeichenlimits. Doch auch innerhalb der Arbeitsstrukturen bei Twitter rumort es gewaltig.

Nach nur einer Woche an der Twitter-Spitze verkündete Elon Musk Anfang November, dass von den knapp 7.500 Jobs beim Kurznachrichtendienst etwa jede zweite Position entfallen werde. Per E-Mail sollen die Arbeitnehmer*innen über ihre Zukunft im Unternehmen informiert worden sein. Betroffene Arbeitnehmer*innen wurden angewiesen, ab sofort zuhause zu bleiben, Büros wurden geschlossen, Zugangskarten deaktiviert.

Doch auch für die verbleibenden Twitter-Mitarbeiter*innen scheint nichts zu bleiben, wie es war. So verkündete Elon Musk kurzerhand sowohl das kostenlose Mittagessen in der Twitter-Zentrale als auch die Möglichkeit zur Remote-Arbeit zu streichen. Doch damit nicht genug:
Am 16. November stellte der neue Twitter-Chef seinen verbliebenen Angestellten ein 24 Stunden „Hardcore“ Ultimatum. Binnen eines Tages sollten die Arbeitnehmer*innen ihr Commitment zum Ausdruck bringen, Teil des „neuen Twitter“ sein zu wollen. Twitter müsse „extrem hardcore sein“ und werde nur „außergewöhnliche Leistungen“ akzeptieren. Dem Vernehmen nach erwarte Elon Musk von seinen Mitarbeiter*innen unter anderem eine 80-Stunden-Woche. Er selbst arbeite inzwischen schließlich 120 Stunden pro Woche „von morgens bis abends, sieben Tage die Woche“. Diejenigen Arbeitnehmer*innen, die ihm nicht länger folgen wollen, sollen eine Abfindung in Höhe von drei Monatsgehältern erhalten.

Eine Nachhilfestunde in den Grundzügen des Arbeitsrechts hätte Herrn Musk vor der Übernahme von Twitter sicherlich nicht geschadet. Denn auch in den USA sind Arbeitnehmer*innen dem Schalten und Walten ihres Arbeitgebers nicht schutzlos ausgeliefert. So hätten die bereits ausgesprochenen Kündigungen mindestens 60 Tage zuvor schriftlich angekündigt werden müssen. Eine Sammelklage gegen die Entlassungen wurde bereits eingereicht.

Und auch in Deutschland formiert sich Widerstand. Vor der Übernahme durch Musk beschäftigte die Twitter Germany GmbH ca. 30 Arbeitnehmer*innen. Auch in Deutschland ist besonders der Bereich der Software-Entwicklung von der Entlassungswelle bei Twitter betroffen. Die hierzulande Betroffenen sollen ihre schriftliche Kündigung Mitte November erhalten haben und setzen sich mit Hilfe der Gewerkschaft ver.di gegen diese zur Wehr. Denn sie genießen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz.

Ob die in Deutschland ausgesprochenen Kündigungen am Ende des Tages sozial (un-)gerechtfertigt waren, bleibt abzuwarten. Die Formvorschrift des § 623 BGB scheint das Unternehmen immerhin eingehalten zu haben. Ob dies auch für die Anzeigepflicht nach § 17 KSchG gilt, ist fraglich. Einer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG bedurfte es in Ermangelung eines solchen jedenfalls nicht. Doch dies soll sich in Zukunft ändern. Mit Hilfe der Gewerkschaft ver.di wollen die verbleibenden Beschäftigten der Twitter Germany GmbH kurzfristig einen Betriebsrat installieren.

Für die einen zu spät, wäre die Gründung eines Betriebsrats bei der Twitter Germany GmbH jedenfalls für die Verbleibenden ein Lichtblick. Schließlich hat der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch über die Durchführung der zugunsten der Arbeitnehmer*innen geltenden Gesetze zu wachen, so beispielsweise auch das Arbeitszeitgesetz. Und eine 80-Stunden-Woche überschreitet in Deutschland (und den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union) grundsätzlich immer noch die regelmäßige wöchentliche Höchstarbeitszeit, lieber Herr Musk.