Spaß beiseite… jedenfalls im Gericht?
Jeder kennt die Sprüche, die im Zusammenhang mit Gerichtsverhandlungen mal mehr, mal weniger herangezogen werden. „Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand!“ oder „Das war ein sicheres Ding, nur der Richter war schuld, dass wir verloren haben!“. Manchmal empfindet man das Geschehen in solchen Gerichtssälen als willkürlich, aber grundsätzlich kann in unserem deutschen Rechtssystem eines festgestellt werden: das Gerichtsverfahren folgt notwendigen gesetzlichen Regelungen und ist, insbesondere in zivilrechtlichen Verfahren, durch die Qualität der schriftsätzlichen Vorbereitung der Gerichtstermine geprägt. Tumultartige Zustände wie in „Gerichtsshows“ kommen selten vor, weshalb die Teilnahme an Gerichtsverhandlungen für die Öffentlichkeit spießig oder gar langweilig anmuten mag. Da freut sich der neutrale Beobachter, wenn es mal lautstärker „zur Sache geht“. Nichtsdestotrotz kann man die Gerichtsverhandlung eher mit Vorurteilen zu uns Deutschen beschreiben: Sie ist eher nüchtern und spaßbefreit.
Dass der Deutsche auch anders kann, zeigt nicht zuletzt die Satire „Kein Pardon“ aus dem Jahre 1993. Der allseits verehrte Hape Kerkeling prägte mit der im Film vorkommenden Eröffnungsnummer „Witzigkeit kennt keine Grenzen. Witzigkeit kennt kein Pardon.“ Generationen. Was passiert aber nun, wenn man diesen Slogan im Gerichtssaal antrifft. Hierüber hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg kurz vor dem Jahreswechsel am 28. Dezember 2022 zu entscheiden. Begehrt wurde die Enthebung eines ehrenamtlichen Arbeitsrichters seines Amtes.
Was war passiert?
In einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Berlin stritten die Parteien im Rahmen eines einstweiligen Verfahrens auf Erlass einer Beschäftigungsverfügung um die Abgabe einer sogenannten Konfliktmineraliendeklaration durch den Verfügungskläger zum Bezug von Rohstoffen bzw. weiterverarbeiteten Rohstoffen durch die Verfügungsbeklagte aus Konfliktregionen, in den Rohstoffe auch unter menschenrechtswidrigen Umständen wie Kinderarbeit gewonnen werden. Der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten erläuterte zu Beginn der Verhandlung die Bedeutung dieser Deklaration und in welchem Zusammenhang diese abzugeben sei, wobei er sich zur Verdeutlichung der Metapher der sogenannten „Rohstoffe wie Blutdiamanten“ bediente. In der sich daran anschließenden langen Verhandlung beanstandete der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten mehrfach, dass die Vorsitzende keinen Blickkontakt mit ihm im Dialog halte. Zum Ende der Verhandlung, als sich der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten in einem längeren Austausch mit dem Verfügungskläger befand, lachte der ehrenamtliche Richter laut über die Ausführungen.
Im Rahmen eines Befangenheitsantrag ließ sich der ehrenamtliche Richter wie folg ein:
„Es hat angefangen mit dem Begriff „Blutdiamanten“. Darauf folgten übertriebene wiederholte Anweisungen des Beklagtenvertreters an die Richterin, ihn anzugucken, wenn sie mit ihm redet. Dies steigerte den Impuls zu lachen, der anfänglich unterdrückt wurde und die insgesamt doch lockere Situation und es wurde zuvor auch von allen Anwälten und vom Kläger gelacht. Und der Versuch, das Lachen zu unterdrücken, gelang mir nicht mehr. Die Kontrolle wurde aufgegeben und ich fand es nicht unpassend in dieser Situation zu lachen.“
Zudem wurde die Amtsenthebung beim LAG Berlin-Brandenburg verlangt. Das ist über die eher unbekannten Rechtsvorschriften der §§ 27, 20 ArbGG möglich. Voraussetzung ist eine grobe Pflichtverletzung des ehrenamtlichen Richters. Objektiv liegt eine grobe Pflichtverletzung dann vor, wenn es sich im konkreten Fall um einen schwerwiegenden Verstoß gegen eine Amtspflicht handelt, der es erforderlich macht, zur Wahrung des Ansehens der Rechtspflege den Richter seines Amtes zu entheben. Dies kann beispielsweise bei der wiederholten Verletzung der Pflicht zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses oder einer beständigen Verweigerung der Eidesleistung der Fall sein. Dazu kann auch das ungebührliche Verhalten bei den Sitzungen zählen. Grundsätzlich muss aber eine gewisse Beharrlichkeit der Pflichtverletzung vorliegen oder die singuläre Pflichtverletzung so gewichtig sein, dass ein weiteres Festhalten am ehrenamtlichen Richterverhältnis der Wahrung des Ansehens der Rechtspflege entgegensteht. Ein einmaliges Lachen eines ehrenamtlichen Richters stellt nach diesen Grundsätzen nach Beschluss des LAG keine grobe Pflichtverletzung dar.
Eine Pflichtwidrigkeit wurde seitens des LAG Berlin-Brandenburg allerdings schon erkannt. Ihm zugutekam der Umstand, dass unstreitig mehrere Leute (sogar die Anwälte) gelacht haben. Wie einleitend beschrieben, ist dies eine völlig surreale Situation. Vor daher kennt die Witzigkeit anscheinend doch Grenzen; zumindest vor Gericht (auf hoher See mögen andere beurteilen).