Skip to main content

Zu viel des Guten – was tun bei Überzahlung?

Das Konto gecheckt und mehr Geld entdeckt als erwartet. Ist die Freude groß oder Handlung geboten? Eine Überzahlung durch Arbeitgeber*innen kommt häufiger vor als man denkt. Tippfehler in der Buchhaltung oder Verwechslungen entstehen leicht. Wie Arbeitnehmer*innen sich in einem solchen Fall verhalten klärt der folgende Artikel.

Ein Fall aus Ungarn und Österreich sorgte kürzlich für Aufsehen. Der Arbeitnehmer eines ungarischen Unternehmens sollte für seine Tätigkeit 92.549 Forint, umgerechnet etwa 240 €, erhalten. Fälschlicherweise wurde ihm der Forint-Betrag in Euro auf sein Konto in Österreich überwiesen: er erhielt über 92.000 €.
Als dem Unternehmen der Fehler auffiel, wurde der Arbeitnehmer aufgefordert, den überzahlten Betrag zurückzuzahlen. Er weigerte sich.
Mit Hilfe der österreichischen Behörden wurde ein großer Teil des Geldes sichergestellt, nachdem bereits 15.000 € abgehoben wurden. Dem Arbeitnehmer droht nun eine Klage auf Schadensersatz.

Rechtslage in Deutschland
Wie wäre der Sachverhalt nach deutschem Recht zu bewerten?
Um das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in nicht zu stören, ist grundsätzlich zu empfehlen, eine Überzahlung zu melden, wenn man sie bemerkt.
Für Arbeitgeber*innen besteht ein Rückzahlungsanspruch nach § 812 BGB. Man spricht von einer ungerechtfertigten Bereicherung. Danach ist derjenige, der etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, zur Herausgabe verpflichtet.
Das gilt auch dann, wenn der Fehler durch das Unternehmen verschuldet ist. Zu prüfen ist außerdem, ob es sich bei der Überzahlung nicht doch um eine Prämie oder Sonderzahlung, wie beispielsweise Urlaubsgeld, handelt, denn dann läge ein rechtlicher Grund für die Zahlung vor.

Und was gilt, wenn man die Überzahlung nicht oder erst spät bemerkt?
Auch derjenige, der die Überzahlung nicht bemerkt, ist ungerechtfertigt bereichert.
Er kann sich auf den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 berufen, wenn das Erlangte ersatzlos weggefallen ist. Das ist der Fall, wenn das Vermögen nicht mehr umfasst, als es ohne die Überzahlung umfassen würde – wenn das überzahlte Geld also für Ausgaben verwendet wurde, die sonst nicht getätigt worden wären.
Eine weitere Ausnahme von der Rückzahlungsverpflichtung wurde durch das Bundesarbeitsgericht bei geringen Überzahlungen (bis 10 % des insgesamt zustehenden Bruttobetrags, maximal aber 250 Euro brutto) festgestellt: in diesem Fall spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass Arbeitnehmer*innen die Überzahlung nicht bemerken und für den laufenden Lebensunterhalt verwenden. Arbeitgeber*innen müssen „ein Auge zudrücken“.

Spannend ist auch die Frage nach der Rückzahlungsverpflichtung im Hinblick auf Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Der überzahlende Arbeitgeber hat beides gezahlt und hat ein Interesse daran, auch die Steuern und Sozialabgaben zurückzuerhalten. Müssten Arbeitnehmer*innen allerdings den Bruttobetrag zurückzahlen, würden sie aufgrund des Fehlers des Arbeitgebers einen Vermögensnachteil erlangen. Das wäre ein Wertungswiderspruch, weshalb die herrschende Meinung annimmt, dass Arbeitnehmer*innen nur Nettobeträge zurückzahlen müssen und Arbeitgeber*innen sich mit ihren Rückforderungen an Finanzamt und Sozialversicherungsträger wenden müssen.

Handlungsempfehlung
Um das Vertrauensverhältnis nicht zu stören, sollten Überzahlungen – sobald sie auffallen – gemeldet werden.
Wenn die Überzahlung erst spät auffällt, findet sich im Idealfall eine Lösung zwischen Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in zur Rückzahlung und/oder zum Erlass.
Zurückzuzahlen sind grundsätzlich die Nettobeträge.

Bei Auffälligkeiten in Ihrer Abrechnung oder Fragen zu vermeintlichen Überzahlungen stehen Ihnen die Rechtsanwält*innen von LNS gerne zur Seite.