Flexirente – Lösung für Fachkräftemangel und Altersarmut?
Zur Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nach dem Renteneintrittsalter als potenzielle Lösung für Fachkräftemangel und Altersarmut.
Ob ein paar Stunden in der Woche oder halbtags: die Flexirente ist den meisten Unternehmen sehr willkommen. Gerade in den heutigen Zeiten des Fachkräftemangels können Arbeitnehmer*innen, die eine lange Betriebszugehörigkeit vorweisen, eine große Hilfe sein und die Unternehmen weiter unterstützen.
Für solche Situationen wurde im Jahr 2017 das „Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben“ eingeführt.
Was ist die Flexirente?
In der gesetzlichen Altersrente wurde durch das Flexirentengesetz die Möglichkeit, über das Rentenalter hinaus weiterzuarbeiten – egal, ob beim ursprünglichen oder einem anderen Arbeitgeber – und die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Frührentner*innen, verbessert. Seit Juli 2017 können Teilrente und Hinzuverdienst flexibler und einfacher als bisher miteinander kombiniert werden. Seit dem 1. Januar 2023 gelten keine Hinzuverdienstbeschränkungen mehr bei einer vorgezogenen Altersrente.
Modell 1: Flexirente für Frührentner*innen
Rente mit 63 – so hieß es 2014 von der damaligen Bundesregierung. Besonders langjährig Versicherte sollten schon mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen können. Dies betrifft allein diejenigen, die vor 1953 geboren wurden und 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Seitdem wurde das Renteneintrittsalter mehrfach angepasst. Die Regelaltersgrenze für Personen, die im Jahrgang 1964 oder später geboren wurden, liegt derzeit bei 67 Jahren. Dennoch möchten auch heutzutage einige Arbeitnehmer*innen bereits mit 63 Jahren in Frührente gehen.
Die Voraussetzung dafür, mit 63 Jahren in die Flexirente gehen zu können, ist, dass mindestens 35 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wurden.
Zu beachten ist dabei, dass für jeden Monat, den eine Person vor Erreichen der Renteneintrittsgrenze in Rente geht, ein Abzug von 0,3 Prozent (bis insgesamt maximal 14,4 Prozent) auf ihre monatlichen Rentenauszahlungen hinzunehmen ist. Das bedeutet bei einem Renteneintritt mit 65 statt mit 67 Jahren einen Abzug von insgesamt 7,2 Prozent. Die Abzüge können allerdings durch freiwillige Beitragszahlungen ausgeglichen werden.
Somit kann die Arbeitszeit schon ab dem 63. Lebensjahr mit der Flexirente deutlich reduziert werden und etwaige Abzüge durch den Hinzuverdienst kompensiert werden: der Hinzuverdienst, der beim gleichen oder einem anderen Arbeitgeber erzielt wird, wie auch freiwillige Beitragszahlungen, kompensieren die Abschläge.
Modell 2: Flexirente nach Renteneintritt
Auch für Personen, die nach dem Renteneintritt weiterarbeiten wollen, ist die Flexirente attraktiv. Denn für jeden Monat, den ein Arbeitnehmer über die Renteneintrittsgrenze hinaus arbeitet, entsteht ein monatlicher Rentenzuschlag von 0,5 Prozent. Das macht eine Rentensteigerung von 6 Prozent jährlich aus – bei einer Rente von 2.000 Euro sind das 120 Euro.
Die Möglichkeit, über die Renteneintrittsgrenze hinaus weiterzuarbeiten, bestand schon vorher, doch die Rentenbeiträge freiwillig weiterzuzahlen und die Rente so zu erhöhen, wurde erst durch das Flexirentengesetz geschaffen.
Die Flexirente aus arbeitsvertraglicher Sicht
Das Erreichen des Renteneintrittsalters bedeutet grundsätzlich nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. In der Praxis sehen aber die meisten Arbeitsverträge, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen entsprechende Renteneintrittsklauseln vor.
Die flexible „Hinausschiebevereinbarung“ bietet sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmer*innen Vorteile, wie zum Beispiel einen Wissenstransfer der älteren Generation auf die jüngere. Jahrelang erworbenes Know-How soll so nicht einfach verloren gehen.
Gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel und die Babyboomer-Generation, die nach und nach das Renteneintrittsalter erreicht, bereitet der aktuelle und noch bevorstehende Fachkräftemangel sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer*innen Druck. Hier kann die Verschiebung des Renteneintritts Abhilfe schaffen.
Die Vereinbarung einer Verschiebung des Renteneintritts und Verlängerung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zweck bestimmt § 41 Satz 3 SGB VI: das Arbeitsverhältnis ist mit einer Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien über den gesetzlich vorgesehenen Renteneintrittstermin zu verlängern. Die Verlängerungsmöglichkeit besteht nur bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses und muss zwingend schriftlich erfolgen.
Wird eine Hinausschiebevereinbarung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart, kann eine Befristung nur noch über § 14 TzBfG gerechtfertigt werden und nicht über § 41 Satz 3 SGB VI. Der Bezug einer Altersrente allein ist kein Sachgrund für eine Befristung des Arbeitsvertrags.
Es ist daher im Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in, ein rechtzeitiges Gespräch über die Weiterbeschäftigung zu führen, für einen flexiblen Übergang.
Die Rolle des Betriebsrates
Der Betriebsrat ist bei einer betrieblichen Einstellung neuer Arbeitnehmer gem. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG vom Arbeitgeber zu unterrichten.
Eine solche Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BAG vor, wenn der Arbeitgeber Personen in den Betrieb eingliedert, um sie dort weisungsgebunden arbeiten zu lassen. Mit der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmer*innen über das Ende eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses hinaus, auch im Fall der Beendigung aufgrund des Renteneintritts, nehme der Arbeitgeber ebenso wie bei einer Einstellung eine Neubesetzung des freiwerdenden Arbeitsplatzes vor. Denn die Interessen der bereits im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer*innen seien in ähnlicher Weise berührt, wenn rentennahe Arbeitnehmer*innen über ihren Renteneintrittstermin hinaus weiterbeschäftigt werden solle.
Daraus ergibt sich für das BAG, dass dem Betriebsrat bei einer Vereinbarung auf Weiterbeschäftigung über das Erreichen der Regelaltersgrenze für die gesetzlichen Renten hinaus (bei einer Hinausschiebevereinbarung nach § 41 Satz 3 SGB VI) ein zwingendes Mitbestimmungsrecht zusteht. Der Betriebsrat kann also bei einer Hinausverschiebungsvereinbarung mitbestimmen und diese unter Umständen untersagen.
Für die Betriebsräte bedeutet das, dass, sofern Arbeitnehmer*innen im renteneintrittsfähigem Alter eine Weiterbeschäftigung anstreben, der Betriebsrat vom Arbeitgeber davon zu unterrichten ist und der Arbeitgeber eine Zustimmung einzuholen hat. Dementsprechend ist ein frühzeitiger Hinweis von wesentlicher Bedeutung, um einen flexiblen Verlauf in die Flexirente zu ermöglichen.
Darüber hinaus hat der Betriebsrat auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 95 BetrVG für allgemeine Regelungen, um die Kriterien für die personelle Einzelmaßnahme nach § 99 BetrVG festzulegen, wenn ein Betrieb über 500 Arbeitnehmer*innen hat. Bei Betrieben unter 500 Arbeitnehmer*innen liegt die Initiative zur Bestimmung von Auswahlkriterien beim Arbeitgeber.
Im Rahmen der Festlegung der Auswahlkriterien kommen hinsichtlich der Verschiebung des Renteneintritts und der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses insbesondere persönliche Kriterien in Betracht. Dabei gestaltet es sich schwieriger, objektive Kriterien festzulegen, denn die Auswahlrichtlinien müssen insbesondere den Maßstäben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genügen. Dennoch können Auswahlrichtlinien auch hinsichtlich des Lebensalters oder auch arbeitsmedizinischer Gesichtspunkte festgelegt werden, insbesondere bei Betrieben, die schwere körperliche Arbeit voraussetzen (z.B. bei Monteuren in Baufirmen, bei denen im Fall einer Weiterbeschäftigung höhere gesundheitliche Risiken bestünden).
Generell sind dabei Arbeitnehmer*innen, die die Regelaltersrente bereits beziehen können, deutlich weniger schutzbedürftig als Arbeitnehmer*innen, die diese Grenze noch nicht erreicht haben.
Ausblick
Die Flexirente macht den Renteneintritt flexibler. Sowohl Personen, die früher in Rente gehen wollen, als auch Arbeitnehmer*innen, die über den Renteneintritt hinaus arbeiten wollen, können von der Flexirente profitieren. So können Rentner*innen, die sich noch nicht zur Ruhe setzen wollen, weiter einer Arbeit nachgehen und die Haushaltskasse aufbessern. Die Arbeitgeber profitieren von einem geringeren Fachkräftemangel und der Weitergabe des Know-hows an die jüngere Generation. So ist die Flexirente eine insoweit gelungene Hilfestellung für beide Seiten!