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Fachkräftemangel erfolgreich bewältigen: Der Betriebsrat als treibende Kraft für Zukunftslösungen

Bei einem Blick auf die derzeit in den Nachrichten dominierenden Umstrukturierungspläne vieler Unternehmen nebst Personalabbauplänen besteht die Gefahr, dass ein grundlegendes Problem in den Hintergrund zu geraten droht: der Fachkräftemangel. Er hat sich zu einer der größten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft entwickelt. Eine Vielzahl qualifizierter Arbeitskräfte fehlt branchenübergreifend. Diese Situation wird durch den demografischen Wandel und die digitale Transformation weiter verschärft werden. Unternehmen stehen dabei oft vor einer doppelten Herausforderung: Während in bestimmten Bereichen aufgrund von Umstrukturierungen, Digitalisierung oder wirtschaftlichem Druck ein Stellenabbau droht, suchen die Unternehmen oftmals gleichzeitig händeringend nach qualifizierten Fachkräften in anderen Bereichen. Die Auswirkungen dieses Fachkräftemangels sind vielfältig: von Produktionsengpässen über Innovationshemmnisse bis hin zu Wachstumseinbußen.

Der Betriebsrat kann durch konsequente Nutzung seiner Rechte maßgeblich dazu beitragen, den Betrieb zukunftsfähig zu machen und gleichzeitig die Interessen der Belegschaft zu schützen und deren Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ihm kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Er kann dabei in verschiedenen Bereichen als treibende Kraft wirken, von denen im Folgenden vier zentrale Handlungsfelder vorgestellt werden:

1. Analyse der Situation: Wo drückt der Schuh?
Als erster Schritt sollte eine gründliche Analyse der betrieblichen Situation erfolgen. Nur wenn der Betriebsrat die spezifischen Herausforderungen des Unternehmens kennt, kann er gezielt Maßnahmen ergreifen. Folgende Punkte spielen hierbei beispielsweise eine Rolle:
• Welche Stellen sind unbesetzt, und welche Qualifikationen fehlen?
• Wie stark ist die Arbeitsbelastung der Belegschaft? Gibt es Überstunden oder gesundheitliche Beschwerden?
• Welche Maßnahmen hat der Arbeitgeber bereits ergriffen und wo gibt es Lücken?

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber eine detaillierte Personalplanung gemäß § 92 BetrVG einfordern. Er hat das Recht, Unterlagen wie Stellenpläne, Altersstrukturanalysen und Fluktuationsraten einzusehen. Diese Unterrichtungspflicht besteht auch dann, wenn es nur eine kurzfristige und situative Personalplanung geben sollte. Gibt es einen Wirtschaftsausschuss, können diese Informationen noch umfassender und effektiver durch diesen eingefordert werden. Die Unterrichtungspflicht kann auch gerichtlich durchgesetzt werden.

Tipp: Parallel zu diesen Schritten kann und sollte der Betriebsrat eigene Erhebungen durchführen, etwa durch Mitarbeiterbefragungen oder die Auswertung vorhandener Daten, um sich ein möglichst umfassendes Bild der Situation zu verschaffen.

2. Weiterbildung und Qualifizierung fördern
Weiterbildung und Qualifizierung der Belegschaft sind Schlüsselelemente zur Bewältigung des Fachkräftemangels. Sie ermöglichen es, vorhandene Beschäftigte für neue Aufgaben zu qualifizieren und so Personalengpässe intern zu lösen.
Der Betriebsrat hat gemäß § 96 BetrVG das Recht, bei der Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs mitzuwirken. Er kann zunächst vom Arbeitgeber verlangen, den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln und mit ihm zu beraten. Wenn bei dieser Beratung keine Einigung erzielt wird, können Arbeitgeber oder Betriebsrat die Einigungsstelle nach § 96 Abs. 1a BetrVG um Vermittlung anrufen. Der Betriebsrat hat nach § 97 Abs. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung, wenn die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer*innen sich ändert und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen, was gerade im Rahmen der Digitalisierung oftmals der Fall sein wird. Nach § 98 BetrVG kann er darüber hinaus bei der Durchführung konkreter betrieblicher Bildungsmaßnahmen mitbestimmen und Vorschläge für die Teilnahme machen. Können sich Betriebsrat und Arbeitgeber hier nicht einigen, kann die Einigungsstelle angerufen werden, die verbindlich entscheidet. Darüber hinaus kann der Betriebsrat gemäß § 92a BetrVG Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung machen, die der Arbeitgeber mit ihm zu beraten und eine Ablehnung zu begründen hat. Dies umfasst gerade auch das Thema Qualifizierung.

Tipp: Der Betriebsrat kann eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur Weiterbildung angehen, die klare Ziele, Budgets und Auswahlkriterien für Teilnehmer festlegt.

3. Faire Arbeitsbedingungen schaffen
Attraktive Arbeitsbedingungen sind entscheidend, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Auch der Betriebsrat kann maßgeblich dazu beitragen, das Arbeitsumfeld zu verbessern und so die Attraktivität des Unternehmens zu steigern. Der Betriebsrat hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei Arbeitszeitregelungen, gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei Überstunden und Kurzarbeit und gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG beim Gesundheitsschutz. Hierbei sind eventuell zwingende gesetzliche und tarifliche Regelungen zu beachten.
Der Betriebsrat kann Vorschläge für flexible Arbeitszeitmodelle oder Homeoffice-Regelungen erarbeiten und Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung einleiten. Kommt es zu keiner Einigung, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Diese kann dann über Themen wie die Regelung flexibler Arbeitszeitmodelle, die Festlegung von Kernarbeitszeiten oder die Gestaltung von Gleitzeitrahmen entscheiden. Führt der Arbeitgeber einseitig Maßnahmen ein, etwa eine neue Überstundenregelung oder eine Schichtplanänderung, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Unterlassung durchsetzen.

Tipp: Der Betriebsrat kann regelmäßige Mitarbeiterbefragungen durchführen, um Verbesserungspotenziale zu erkennen und seine Vorschläge zu untermauern.

4. Integration ausländischer Fachkräfte unterstützen
Die Integration ausländischer Fachkräfte ist ein wichtiger Baustein zur Bewältigung des Fachkräftemangels und der Betriebsrat kann dazu beitragen, dass diese Integration reibungslos verläuft und alle Beteiligten davon profitieren. Er hat gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG die Aufgabe, die Integration ausländischer Beschäftigter zu fördern. Bei Auswahlrichtlinien für Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen hat er nach § 95 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht, in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten sogar ein diesbezügliches Initiativrecht. Hiermit kann die Integration ebenfalls indirekt gefördert werden. Möglich ist außerdem der Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung mit Regelungen etwa zu Integrationsmaßnahmen wie Sprachkursen, Mentoring-Programmen oder interkulturellen Trainings sowie zur Bildung eines Integrationsteams.

Tipp: Der Betriebsrat kann das Thema regelmäßig auf Betriebsversammlungen ansprechen.

von Jacob Zeeb